Myofunktion

Myofunktionelle Förderung - von physiologischem Saugen zu gesundem Kauen, Schlucken & Atmen

Was ist Myofunktion

Unter Myofunktion fasst man das funktionelle Zusammenspiel bestimmter Muskulatur zusammen. Mit einer orofazialen myofunktionelle Störung (OMS) werden Auffälligkeiten der inneren Mund- und äußeren Gesichtsmuskulatur bezeichnet. Symptome können die Nahrungsaufnahme, die Sprache, die Atmung und die Kieferausformung betreffen:

 

 

  • Saugstörungen im Säuglingsalter
  • Schwierigkeiten bei der Beikosteinführung
  • Unfähigkeit oder Unwillen zu Kauen
  • Schmatzen / Verlust von Speisen beim Essen
  • unphysiologisches Schlucken (z.B. Zungenstoß)
  • Verstärktes Sabbern (auch nachts)
  • Sprechstörungen (motorische Unfähigkeit gewisse Laute zu bilden)
  • verwaschene undeutliche Sprache
  • häufig offen stehender Mund
  • Mundatmung
  • verengte Nasennebenhöhlen / schiefe Nasenscheidewand
  • vergrößerte Tonsillen
  • Schnarchen
  • atembezogene Schlafstörungen (obstruktive Schlafapnoe OSA)
  • Zahnfehlstellungen (z.B. Zahnengstand, offener Biss)
  • mangelnde Kieferausformung (z.B. hoher Gaumen)
  • einiges mehr...

!!! All diese Symptome können auch durch andere Einflüsse als durch eine OMS entstehen. Die Differentialdiagnostik ist hier ein wichtiger Punkt. Aus diesem Grund ist die orofaziale myofunktionelle Therapie auch eine interdisziplinäre Praxis!

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Das Auftreten von einer orofazialen myofunktionellen Störung kann verschiedene Ursachen haben. Ich unterschiede hier in:

  • sensorische Hintergründe (zB Überempfindlichkeiten oder fehlgeleitete Reflexe)
  • muskuläre Ungleichgewichte (Hyper- oder auch Hypotonien)
  • anatomischen Gegebenheiten (zB orale Restriktionen wie zu kurze Zungen- und/oder Lippenbänder, oder auch Fehlbildungen wie Spalten in Lippe oder Gaumen).

Oftmals folgt aus einer Abweichung der anatomischen Norm sehr früh eine muskuläre Anpassung im Sinne einer Kompensation. Diese verdeckt die eigentliche Ursachen oftmals geschickt, da sich die folgenden Symptome im Laufe des Lebens wandeln. In jeder meiner myofunktionellen Anamnesen - egal ob Baby oder Erwachsener - müssen alle diese drei Bereiche beleuchte werden, um dann auch zielführend die echte Ursache anzugehen.

Ein weiterer wichtiger Bereich ist auch der habituelle Einfluss auf die orofaziale Myofunktion. So sind (frühere) Sauggewohnheiten, die Gewichtsentwicklung und die motorische Entwicklungsgeschichte genauso wichtig, wie die aktuellen Ernährungs- und Schlafgewohnheiten. 

Wie schon gesagt, kann jedem Symptom eine Vielzahl von Ursachen zu Grunde liegen und meine Arbeit gleicht bei jedem Kennenlernen erstmal der eines Detektives, der sich einen Überblick über das gesamte Bild machen muss, bis er den Fall lösen kann (=die Ursache finden).

Sind die jeweiligen Ursachen der Symptomkomplexe identifiziert, kann ein ursächliches Handeln auch erst möglich werden. Da die Familien auf dem Weg bis zu mir oftmals schon bei vielen Anlaufstellen Hilfe gesucht haben, ist mir hier die interdisziplinäre Teamarbeit zwischen den (Fach-)Ärzten und Therapeuten (wie Logopädie, Ergotherapie oder Physiotherapie) ein wichtiges Anliegen.

Denn die orofaziale Myofunktion findet sich als Teilbereich genauso in der Logopädie, wie in der Zahnmedizin, wie in der Kieferorthopädie oder der Hals-Nasen-Ohren-Kunde wieder.

 


Kompetenzbereiche innerhalb der orofazialen Myofunktion

Form follows function - die Entwicklung eines Körpers fußt auf der Benutzung seiner Muskulatur. Das bedeutet auch, dass die physiologische Nutzung der Muskulatur zu einer physiologischen Ausformung des festen Knochengewebes führt. Sehen wir also knöcherne Ausbildungen, die von der Physiologie abweichen (z.B. ein gotischer Gaumen), ist der Schluss zulässig, von einer gestörten Funktion der Muskulatur auszugehen. Unsere medizinischen Routinen lassen zwar zu, die Struktur mit diversen Maßnahmen (z.B. innerhalb der Kieferorthopädie) wieder "in Form zu bringen", jedoch entsteht damit nicht zwangsläufig auch die Funktion, die diese Form nach Abschluss der Behandlung auch erhält. Nicht selten drehen sich viele Erwachsene z.B. mit Ihrer Zahnstellung im Kreis, wenn die Zähne sich ohne Retainer wieder in ihre Ausgangsform zurückschieben. Kann die Zunge in diesem Beispiel aber ihren natürlichen Job als "Platzhalter" innerhalb des Mundraumes mit physiologischen Bewegungsmustern und Ruhepositionen einnehmen, erhält man tatsächlich die ursächliche Funktion, die für eine gesunde Form verantwortlich ist!

 

Die Bereiche in denen die oraofaziale myofunktionelle Therapie ansetzt dienen der Stärkung folgender Funktionsbereiche:

  • physiologische Zungenruhelage
  • Lippenschluss
  • Nasenatmung
  • angepasstes Kauen
  • funktionelles Schlucken

 

Hier wird der gesamte Körper auch in seiner Haltung mit einbezogen.

Jeder Mensch wird hier etwas unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen und auch individuellen Alltagseinflüssen unterliegen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass es nicht DIE EINE orofazialen myofunktionellen Störung gibt, sondern sich diese immer aus persönlichen Stärken und Schwächen in den oben genannten Kompetenzbereichen zusammensetzt. Darum folge ich auch keinen vorgegebenen Therapiekonzepten, die jede OMS mit dem gleichen Schema zu behandeln versucht, sondern wähle individuell zu dem jeweiligen Menschen passend die Bereiche, Materialien und Übungen, die für eine Förderung der Myofunktion auch ursächlich zielführend sind.

 

Ablauf der myofunktionellen Förderung bei mir

Myofunktionelle Anamnese

Der erste Termin umfasst immer eine vollständige myofunktionelle Anamnese vor Ort in meinen Praxisräumen - ich arbeite nicht online.

Vorab werde ich einen umfassenden Fragebogen versendet haben, der sowohl die Entwicklungshistorie, als auch die aktuellen Lebensumstände umfasst und mir vorab  zur besseren Vorbereitung auf den Termin ausgefüllt zurückgeschickt werden sollte. Gerade wenn Kinder vorgestellt werden, ist die Vorarbeit der Eltern sehr sinnvoll. So kann ich mich direkt dem Kind zuwenden, es in meinen Räumen ankommen lassen, Vertrauen aufbauen und dann auch die orofazialen myofunktionellen Gegebenheiten einschätzen. Auch wenn einige Eltern die vielleicht schon Jahre zurückliegenden Fragen als unwichtig empfinden, geben mir gerade die ersten Jahre der Entwicklung viele Hinweise auf die natürlichen Voraussetzungen, mit denen ein Mensch in sein Leben gestartet ist.

Innerhalb der myofunktionellen Anamnese arbeite ich je nach Alter und Symptomkomplex mit verschiedenen internationalen validierten Tools wie das IOEProtocol (Bottini et al), die MBGR (Marchesan et al), den OMES (De Felicio & Ferreira), PROPABS (Susanibar), das LFProtocol (Marchesan), FAIREST6 (Zaghi et al) und den STOP-BANG Questionaire (Chung et al).

Die Kosten der Anamneseerstellung richtigen sich nach der tatsächlich in Anspruch genommenen Zeit und werden mit meinem regulären Stundensatz von 80 €/h (inkl. MwSt) in einer Viertelstundentaktung im Anschluss in Rechnung gestellt. Bei guter Vorbereitung über die Anamnesebögen bewegt sich die übliche Beratungsdauer für die Anamnese bei Kindern zwischen 1 h und 1,5 h.

 

Grundsätzliches zu den Fördereinheiten

Sollte sich in der Anamnese ein Förderbedarf abzeichnen, der im Rahmen meiner myofunktionellen Angebote liegt, kann gemeinsam ein individueller Plan mit weiteren Terminen erstellt werden. Sollte ich nicht die passende Ansprechpartnerin sein, werde ich gerne unterstützen weitere Anlaufstellen zu finden. Bevor wir gemeinsam starten, werden wir auch eventuelle Vorbereitungen für eine beginnende Förderung besprechen (ggf interdisziplinäre Differentialdiagnosen, Habits eliminieren, eventuelle Stabilisierungen). 

Ab hier treffen wir uns dann regelmäßig, je nach Phase in unterschiedlichen Abständen. Jeder Termin wird pauschal mit 100 € (inkl. MwSt) abgerechnet, worin die Vor- und Nachbereitung auf die Einheiten, so wie die üblichen eingesetzten Materialien bereits mit verrechnet sind.

Grundsätzlich ist eine myofunktionelle Förderung in jedem Alter möglich. Jedoch müssen die individuellen Möglichkeiten bei Kindern vor dem Schulalter besprochen und abgewogen werden. In den Terminen selbst sind die Eltern immer mit anwesend, ich leite die Kinder an und zuhause wird täglich regelmäßig weiter geübt. Je größer die Compliance der gesamten Familie, desto schneller kommen die Kinder auch zum Erfolg. Darum kann ich zu Beginn nie sagen, wie viele Einheiten wir ganz genau brauchen werden. Wer fleißig übt, erreicht stets schneller sein (Zwischen-)Ziel. Natürlich sind auch die Schwere und Ausprägung der OMS unterschiedlich und somit sind auch die Förderbedarfe unterschiedlich intensiv. 

Grundsätzlich unterteile ich die Inhalte in drei Phasen:

  • Intensive Phase 
  • Generalisierungsphase
  • Überführungsphase in den Alltag

 

Die Intensive Phase beinhaltet in der Regel 4-8 Termine im Abstand von 2 Wochen. Wie der Name schon sagt, wird hier intensiv geübt und die Einheiten bauen aufeinander auf. Wir aktivieren in der intensiven Phase die Gesichts- und Zungenmuskulatur, verbessert deren Koordination und ebnen die Voraussetzungen für eine physiologische Zungenruhelage und den Lippenschluss. Sollte eine Frenotomie oraler Restriktionen notwendig sein, erfolgt diese zum Ende der intensiven Phase. Außerdem beinhaltet die intensive Phase je nach Symptomkomplex noch die Verbesserung der Schluckfunktion, die Grundlagen für die Nasenatmung und der Schlafhygiene. 

 

Während der Generalisierung sehen wir uns 2-4 wöchentlich. Hier finden weniger intensive Techniken Anwendungen und der Fokus liegt auf der Generalisierung der erlernten Muster. Die Muskulatur soll nun moduliert eingesetzt werden und die neuronale Reorganisation der Bewegungsabläufe steht im Vordergrund. Die Dauer dieser Phase kann zwischen 1-2 Terminen bis auch 4 Terminen variieren.

 

Use it or lose it!  Ziel der Myofunktionellen Förderung ist immer die muskulären Vorgänge auszugleichen. Je konsequenter die Muskulatur also arbeiten darf, desto eher werden Veränderungen sichtbar. Aber auch das Beenden der aktiven Übungen sollte seinen schleichenden Übergang in den Alltag finden. Gerade mit Kindern arbeite ich viel so, dass das Üben "nebenbei" passiert und Spaß macht. In der Überführungsphase in den Alltag sehen wir uns maximal noch monatlich für etwa 4 Termine (selten auch etwas länger). Hier leite ich die Familie an, wie sie auch langfristig mit kleinen Anpassungen in der Ernährung und in weiteren Bereichen des Familienalltags die myofunktionelle Gesundheit ihrer Kinder erhalten.

So können auch ohne den permanenten Fokus und regelmäßige Termine sinnvolle Bewegungsmuster im Alltag stabil und sicher angewendet werden. 

Eines der Hauptziele der orofazialen myofunktionellen Förderung ist die Festigung der Zungenruhelage. Diese und weitere myofunktionelle Ziele sollte nach Anschluss der letzten Phase zum neuen aber ganz normalen Alltag gehören.

Abgrenzung zu anderen Fachbereichen

Myofunktionelle Therapie ist immer eine interdisziplinäre Behandlungsform, die viele Bereiche umfasst. Jedoch hat meine Arbeit Ihre Grenzen da, wo die Störungsfelder anderer Bereiche anfangen. So biete ich keine Sprachtherapie (Sprachentwicklungsstörung, Stottern, Mutismus etc) oder Schlucktherapie (zB bei Dysphagien) an, sondern verweise hier gezielt an Logopäden.

Kontakt und Wartezeit

Wenn ein oralfazialer myofunktioneller Grund von oben genannten Symptomen vermutet wird, biete ich gerne ein Termin zur myofunktionellen Anamnese an. In der Regel kann diese kurzfristig innerhalb eines Monats terminiert werden.

Da der Großteil meiner Kapazität der Arbeit mit Säuglingen vorbehalten ist, kann ich zur Zeit nur freitags größeren Kindern einen Platz zur regelmäßigen myofunktionellen Förderung anbieten. Die Wartezeit auf einen Platz bitte ich direkt zu erfragen.

 

Ich bin am besten per Mail zu erreichen: Ulrike@natuerlich-Eltern.com